Arbeiten in der Pandemie

Sicherheit und Gesundheitsschutz sollen oberste Priorität haben, wenn das Wirtschaftsleben nach dem Shutdown wieder Fahrt aufnimmt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) macht dazu im aktuellen „Arbeitsschutzstandard COVID 19“ konkrete Vorgaben. Dieser formuliert umfangreiche Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise.

Die Coronavirus (SARS-CoV-2)-Pandemie hat das gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Leben gleichermaßen schwer getroffen. Die Pandemielage ist eine Gefahr für die Gesundheit jedes einzelnen. Sie betrifft jegliche wirtschaftliche Aktivität und damit die ganze Arbeitswelt. Wenn nun nach dem Shutdown die Wirtschaft wieder hochfährt, kann das laut Bundesarbeitsministerium nur in einem Gleichklang mit Sicherheit und Gesundheitsschutz erfolgen. Um diesen zu erreichen, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Dr. Stefan Hussy, am 16. April den „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ vorgestellt.

Hinter diesem Namen verbirgt sich ein „betriebliches Maßnahmenkonzept für zeitlich befristete zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz vor dem Virus SARS-CoV-2“, der die gefährliche Lungenerkrankung COVID auslösen kann. Ziel des umfangreichen Maßnahmenkatalogs ist es, „durch die Unterbrechung der Infektionsketten die Bevölkerung zu schützen, die Gesundheit von Beschäftigten zu sichern, die wirtschaftliche Aktivität wiederherzustellen und zugleich einen mittelfristig andauernden Zustand flacher Infektionskurven herzustellen. „Wer in diesen besonderen Zeiten arbeitet, braucht auch besonderen Schutz. Wichtig ist, dass wir bundesweit klare und verbindliche Standards haben. Auf diese Standards können sich alle verlassen und an diese Standards müssen sich auch alle halten“, betonte Heil bei seiner Präsentation. Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard definiert ein ganzes Bündel von besonderen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen. Sie sollen den Menschen die notwendige Sicherheit geben, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Arbeitsplatzgestaltung, Dienstreisen und Meetings

So sollen Mitarbeiter am Arbeitsplatz ausreichend Abstand (mindestens 1,5 m) zu anderen Personen halten. Wo dies auch durch Maßnahmen der Arbeitsorganisation nicht möglich ist, müssen alternative Schutzmaßnahmen beispielsweise in Form von Abtrennungen oder das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen ergriffen werden. Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen. Andernfalls sind für Büroarbeitsplätze die freien Raumkapazitäten so zu nutzen und die Arbeit so zu organisieren, dass Mehrfachbelegungen von Räumen vermieden werden können bzw. ausreichende Schutzabstände gegeben sind. Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen wie Besprechungen sollten auf das absolute Minimum reduziert und alternativ soweit wie möglich technische Alternativen wie Telefon- oder Videokonferenzen zur Verfügung gestellt werden. Sind Präsenzveranstaltungen unbedingt notwendig, muss ebenfalls ein ausreichender Abstand zwischen den Teilnehmern gegeben sein.

Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume

Zur Reinigung der Hände sind hautschonende Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung zu stellen. Arbeitgeber müssen – insbesondere für Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräume – eine ausreichende Reinigung und Hygiene vorsehen, ggf. sind hier die Reinigungsintervalle anzupassen. In Pausenräumen und Kantinen ist ebenfalls auf den vorgeschriebenen Mindestabstand von Personen zu achten. Bei der Essensaus- und Geschirrrückgabe sowie an der Kasse sollen keine Warteschlangen entstehen, dazu könne beispielsweise eine Erweiterung der Ausgabezeiten beitragen. Als Ultima Ratio sollte auch die Schließung von Kantinen erwogen werden.

Außen- und Lieferdienst, Transporte und Fahrten

Bei arbeitsbezogenen (Kunden-)Kontakten außerhalb der Betriebsstätte sind ebenfalls soweit möglich Abstände von mindestens 1,5 m einzuhalten. Ist eine Vereinzelung von Tätigkeiten nicht möglich, sollen kleine, feste Teams (z.B. zwei bis drei Personen) gebildet werden, um wechselnde Kontakte von Mitarbeitern bei Fahrten und Arbeitseinsätzen außerhalb der Betriebsstätte zu reduzieren. Diese Teams sollen zudem möglichst immer das gleiche Fahrzeug nutzen, für das eine zusätzliche Ausstattung mit Utensilien zur Handhygiene und Desinfektion sowie mit Papiertüchern und Müllbeuteln erforderlich ist. Zudem sind die Innenräume der Firmenfahrzeuge regelmäßig zu reinigen, insbesondere bei Nutzung durch mehrere Personen.

Nutzung von Verkehrsflächen und Arbeitsmitteln

Bei der Nutzung von Verkehrsflächen (u.a. Flure, Treppen, Türen, Aufzüge) muss ebenfalls sichergestellt werden, dass ein ausreichender Abstand eingehalten werden kann. Auch bei der Zusammenarbeit mehrerer Beschäftigter, z.B. in der Montage, sollte der Mindestabstand zwischen Beschäftigten von 1,5 m gewährleistet sein. Wo dies technisch oder organisatorisch nicht gewährleistet ist, sind alternative Maßnahmen (Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen) zu treffen. Werkzeuge und Arbeitsmittel sollten möglichst personenbezogen verwendet werden. Andernfalls ist eine Reinigung vor der Weitergabe an andere Personen vorzusehen.

Arbeitszeit- und Pausengestaltung, Arbeitskleidung und PSA

Maßnahmen zur zeitlichen Entzerrung, also beispielsweise versetzte Arbeits- und Pausenzeiten oder Schichtbetrieb, können dazu dienen die Belegungsdichte von Arbeitsbereichen und gemeinsam genutzten Einrichtungen zu minimieren. Zur Verringerung innerbetrieblicher Personenkontakte sollten möglichst immer dieselben Personen in den gleichen Schichten arbeiten. Zu Beginn und Ende der Arbeitszeit sollen geeignete organisatorische Maßnahmen vermeiden, dass es zu einem engen Zusammentreffen mehrerer Beschäftigter kommt (z. B. bei Zeiterfassung, in Umkleideräumen, Waschräumen und Duschen etc.). Besonders strikt ist auch auf die ausschließlich personenbezogene Benutzung jeglicher Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Arbeitsbekleidung zu achten. Arbeitgeber müssen zudem die personenbezogene Aufbewahrung von Arbeitsbekleidung und PSA getrennt von der Alltagskleidung ermöglichen. Wenn es hygienetechnisch möglich ist, sollen Mitarbeiter ihre Arbeitskleidung auch bereits zuhause anziehen dürfen.

Betriebsfremde Personen

Der Zutritt betriebsfremder Personen sollte möglichst auf ein Minimum reduziert werden. Im Rahmen eines Besuchermanagements sollen die Kontaktdaten betriebsfremder Personen sowie Zeitpunkt des Betretens/Verlassens der Arbeitsstätte dokumentiert werden. Betriebsfremde Personen müssen zusätzlich über die Maßnahmen informiert werden, die aktuell im Betrieb hinsichtlich des Infektionsschutzes vor SARS-CoV-2 gelten.

Klare Regeln im Verdachtsfall

Für den Umgang mit Verdachtsfällen und ggf. tatsächlichen COVID-19-Erkrankungen unter den Mitarbeitern brauchen Arbeitgeber klare Regelungen zur raschen Aufklärung bzw. Feststellung von Kontaktpersonen. So ist im Betrieb eine möglichst kontaktlose Fiebermessung vorzusehen. Beschäftigte mit Symptomen wie Fieber, Husten und Atemnot sollen das Betriebsgelände umgehend verlassen bzw. zuhause bleiben und sich zunächst telefonisch an einen Arzt oder das Gesundheitsamt wenden. Ein betrieblicher Pandemieplan regelt, wie bei bestätigten Infektionen diejenigen Personen (Beschäftigte und wo möglich Kunden) ermittelt und informiert werden können, bei denen durch den Kontakt mit der infizierten Person ebenfalls ein Infektionsrisiko besteht.

Personenbezogene Maßnahmen

In diesem Maßnahmenbereich betont der neue Arbeitsschutzstandard noch einmal die Bedeutung von Mund-Nase-Bedeckungen. Sie sollen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, wenn es im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit zu unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen bzw. nicht einhaltbaren Schutzabständen kommt. In besonders gefährdeten Arbeitsbereichen soll PSA zur Verfügung gestellt und getragen werden. Eine wichtige Rolle kommt auch der Unterweisung und Kommunikation bezüglich der Schutzmaßnahmen zu. Sie sind zu erklären und Hinweise verständlich zu machen. Ebenso müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglichen bzw. anbieten.

Dauer der Maßnahmen

Das Bundesarbeitsministerium und die DGUV gehen davon aus, dass die Pandemie über einen längeren Zeitraum eine Herausforderung an den Infektionsschutz bei der Arbeit darstellt. Deshalb wird am BMAS ein Beraterkreis „Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zur Prävention von SARS-CoV-2“ eingerichtet, um zeitnah und koordiniert auf die weitere Entwicklung der Pandemie reagieren und ggf. notwendige Anpassungen am aktuellen Arbeitsschutzstandard vornehmen zu können. Zudem soll der Standard bei Bedarf durch die Unfallversicherungsträger sowie gegebenenfalls durch die Aufsichtsbehörden der Länder branchenspezifisch konkretisiert und ergänzt werden können.

Die neuen Vorgaben des BMAS können Sie hier kostenlos herunterladen: www.industriebau-online.de/downloads/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard 

Robert Altmannshofer

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