Digitales Architekturstudium: „Es fehlt an Intensität“

Aufgrund der Corona-Pandemie ersetzt digitales Lernen an Universitäten Präsenz-Veranstaltungen. Welche Auswirkungen das im Fachbereich Architektur nach sich zieht, erklärt Prof. Ralf Pasel. Er lehrt Entwerfen und Baukonstruktion am Institut für Architektur der Technischen Universität Berlin. Dort findet das komplette Sommersemester 2020 digital statt. Als Alternativen zu klassischen Vorlesungen und Seminaren veranstaltet der Lehrstuhl Live-Streams und Videokonferenzen mit einzelnen Studierenden, kleinen und großen Gruppen. Digitale Sprechstunden und Chats sollen dafür sorgen, mit der Studentenschaft in Austausch zu bleiben.

Nachteile des digitalen Lernens

Dennoch zeichnen sich Probleme ab, wie Prof. Pasel ausführt: „Mittlerweile weiß ich, wo wir dabei im Architekturstudium an unsere Grenzen stoßen. Das digitale Lernen ist immer noch besser als nichts zu tun. Es kann das Präsenzstudium aber nicht ersetzten. Für uns Lehrende ist die Vorbereitung sehr aufwendig. Der Aufwand hat sich aufgrund des extremen Kommunikationsbedarfs in den Entwurfsfächern enorm erhöht. Die Studierenden arbeiten völlig losgelöst, quasi im Selbststudium. Das ist nicht der Sinn eines Studiums. Es fehlt am Miteinander, an der Intensität, an der Atmosphäre, aus der neue kreative Ideen entstehen können. Das im Entwurf so wichtige gemeinsame Interagieren, um die erforderliche Subtilität zu erreichen, fällt durch die Distanziertheit des Digitalen leider weg.“

Projektstudium ohne physische Modelle

So leide in Pasels Augen besonders die Arbeit an den Entwürfen, denn das Architekturstudium sei als Projektstudium angelegt. Bislang waren digitale Programme und 3D-Modelle eine Ergänzung zum physischen Modell, das nun wegfällt. In WG-Zimmern und kleinen Studentenwohnungen sei kein Platz für größere Modelle: „Es gibt zwar digitale Programme, bei denen durchaus mehrere Personen gleichzeitig an einem Modell arbeiten können, aber es ist nicht das Gleiche wie das Entwerfen am physischen Modell, bei dem ja auch eine unmittelbar materielle Komponente einen wichtigen Faktor darstellt“, bemängelt Pasel. Viele Projekte können rein digital nicht umgesetzt werden und liegen deshalb auf Eis, wie beispielsweise Design-Build-Projekte, die von der Partizipation und dem Austausch vor Ort abhängig sind.

Ausblick

Die dynamische Entwicklung der Pandemie und die Maßnahmen, ihre Ausbreitung zu verlangsamen, erschweren es den Universitäten weiterhin, Pläne zu machen. In der Hoffnung, den Präsenzbetrieb vielleicht zum Wintersemester 2020/21 wieder aufnehmen zu können, startet die TU Berlin in diesem Jahr erst im November.

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