Freitag, 1. November 2024

Zukunft Standortservice

Im Zuge der Wirtschaftskrise mussten viele Anbieter von Facility Services in der Industrie gemeinsam mit ihren Auftraggebern Federn lassen. Wollen sie jetzt wieder mit ihren Kunden Fahrt aufnehmen, reicht es nicht nur auf bewährte Dienstleistungen zu setzen. Langfristig gefragt sind umfassende Standortservices, die alle Synergien zwischen Gebäudemanagement und produktionsnahen Dienstleistungen heben.

Verhalten optimistisch, so könnte man die aktuelle Stimmung in der deutschen Industrie derzeit auf den Punkt bringen. So recht trauen will noch niemand dem Aufschwung. Während die Deutsche Messe AG im Schlussbericht zur Hannover Messe 2010 betont, den Konjunkturaufschwung verstärkt zu haben, wovon in den nächsten Monaten auch die Industrie profitieren soll, trüben gleichzeitig immer wieder schlechte Nachrichten den Silberstreif am Horizont. Ein Beispiel für viele war Anfang Mai Manroland aus Augsburg: Der Druckmaschinenhersteller ist mit rund 3.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in der Region und kommt nicht aus der Krise. 300 Stellen sollen abgebaut werden. Das Jahr 2010 werde hart, wird Vorstandschef Gerd Finkbeiner in der Tagespresse zitiert.

Geht es der Industrie schlecht, haben auch ihre Dienstleister und Zulieferer in der Regel nicht viel zu lachen. „Partnerschaftliches Modell zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer“ heißt der euphemistische Deckmantel für Einbußen bei Leistungsumfängen und Nachverhandlungen bei den Preisen, die die Service-Anbieter im Facility Management im Zuge der Wirtschaftskrise hinnehmen mussten. Konkret haben 69 Prozent der Auftraggeber-Unternehmen Preise und Service Levels an die Krise angepasst, stellt die internationale Beratungsgesellschaft ICME in ihrer Studie „Post-Crisis-Strategien im Corporate Real Estate Management“ fest, die im März veröffentlicht wurde. Und die Einschnitte fielen durchaus spürbar aus berichtet Dr. Eckhart Morré, Geschäftsführer der HSG Zander GmbH: „Bei wirklicher Produktionsnähe gab es Reduzierungen von 20 bis 80 Prozent. Allerdings wurden die 80 Prozent Reduzierung nur einen Monat realisiert und pendelten sich dann über das Jahr auf einem wesentlich moderateren Niveau ein. Die Reduzierungen waren alle rein kostengetrieben, so dass es teilweise um echte Preisnachlässe und bei anderen um Leistungsanpassungen ging.“ Christian Kahl, Marketingleiter bei Voith Industrial Services, bestätigt ebenfalls, dass im letzten Jahr bei vielen Kunden die Leistungsumfänge reduziert wurden, „wenn bei Kunden die Produktion stillstand.“ Besonders betroffen sei die Automobilzulieferer-Industrie gewesen.

Einsparung bei Zusatzleistungen

Während Morré berichtet, dass Service Level Agreements z. B. bei Reinigungsintervallen, Wartungsinterwallen, Durchführungen von Instandsetzungen oder Besetzungszeiten angepasst werden mussten, um den Erwartungen zu entsprechen, betonen andere Anbieter, dass die industriellen Auftrageber Einsparungen überwiegend durch das Verschieben von Zusatzleistungen erzielten. Fritz-Klaus Lange, Vorsitzender der Geschäftsführung der RGM Gebäudemanagement GmbH, spricht in diesem Zusammenhang von „naturgemäß drastischen Investitionskürzungen, die sich im Bereich der außervertraglichen Leistungen teilweise mit bis zu 50 Prozent Auftragsrückgang gegenüber dem Vorjahr bemerkbar machten“. Auch Infraserv Höchst verzeichnete laut Wolfgang Loeper, Leiter der Geschäftsfeldes Facilities, einen Rückgang von 20 Prozent im Projektgeschäft.

Einzelne gegenläufige Entwicklungen milderten aber diese Einbußen für die Dienstleister im Jahresverlauf. Lange berichtet beispielsweise von Umstrukturierungen innerhalb der Konzerne, die zu Umzugsbewegungen und Maschinenumrüstungen führten, die den Umsatzrückgang wieder teilweise kompensierten. Mitunter wurden sogar für 2010 geplante Regelleistungen in der Wartung oder Spezialreinigung nach 2009 vorverlegt, um Stillstandszeiten sinnvoll zu überbrücken, weiß die geschäftsführende Gesellschafterin der Schubert-Gruppe Dr. Kirsten Schubert. „Das bedeutet auch, dass unsere Kunden nun, wo die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt, direkt durchstarten können.“

Flexible Verträge ausgeschöpft

An die Vertragsauflösung oder die Neuverhandlung der Verträge zwischen industriellen Auftraggebern und Dienstleistern ging es dagegen tendenziell eher selten. Die bestehenden Vertragsstrukturen sehen hier in der Regel bereits Flexibilität im Abruf von Leistungsumfängen vor. Wo es doch Neustrukturierungen der Verträge gab, war in der Krise schon häufig der Blick auf die Zeit danach gerichtet: Deshalb haben sich Vertragsanpassungen „in der Mehrzahl der Fälle nicht negativ ausgewirkt“, erklärt Georg Kürfgen, der Sprecher der Geschäftsführung von Hochtief Facility Management. „Denn diese Überarbeitung bedeutet vielfach, dass sich unsere Kunden von der dienstleistungsorientierten Einzelvergabe von Leistungen stärker auf Service-Level-Agreements ausgerichtet haben. Damit erhöht sich der Anspruch an die Qualität der von uns erbrachten Leistungen“ Auch die Schubert-Gruppe hat nach eigenen Angaben „die Hauptzeit der Krise genutzt, um über die Zeit nach der Krise zu sprechen“ und konnte nach eigenen Angaben in vielen Fällen das Leistungsspektrum ausbauen“.

Outsourcing auf Raten

Doch wohin geht die Reise nun im Jahr 1 nach der großen Wirtschaftskrise? Die in den letzten Monaten oftmals prognostizierte Outsourcing-Welle in der Industrie wird nach Einschätzung der befragten Dienstleister nicht über Nacht und nicht in dem Umfang wie in den neunziger Jahren kommen. Dennoch ist das Klima für Outsourcing gut, wie Kürfgen betont: „Es gab sicher selten eine Phase, in denen Unternehmen bereit waren, Facility Manager über Outsourcing-Prozesse so intensiv und kernprozessnah in ihre Abläufe einzubinden. Unternehmen, die sich bereits in Krisenzeiten aufgeschlossen gegenüber neuen Lösungen gezeigt und dabei unter anderem auf Outsourcing gesetzt haben, profitieren bei der derzeit anspringenden Konjunktur von diesem Wettbewerbsvorteil. Das führt dazu, dass weitere produzierende Betriebe auf diesen Erfolgsfaktor setzen werden.“ Auch Kahl geht davon aus, dass „viele Unternehmen keine eigenen Ressourcen für Sekundärprozesse mehr aufbauen werden“. Die Wertschöpfungsstufen werden sich dementsprechend verändern, erwartet er. Dabei handele es sich jedoch nicht immer um echtes Outsourcing, meistens werden die Arbeiten sukzessive ausgelagert.

Eine zweite Entwicklung betrifft die Unternehmen, die bereits bedeutende Teile der Sekundärprozesse fremdvergeben haben. Sie sehen laut Morré deutliche Steuerungsgewinne bei einer Systematisierung ihres FM-Ansatzes. „Der Trend geht eindeutig dahin, dass der Auftraggeber kompetente und möglichst eigenverantwortliche Dienstleister mit wenig Aufwand steuern möchte, ohne Ressourcen für das eigene ‚doing’ vorzuhalten.“ Im Fokus der strategischen Einkaufsabteilungen stünden deshalb zur Zeit Optimierungen bei eingefahrenen Prozessen, die schon bisher durch externe Dienstleistungsunternehmen betreut werden, ergänzt Lange. Damit bestätigen beide ein weiteres Ergebnis der eingangs genannten ICME-Studie, die eine Dienstleistungsbündelungswelle in der Industrie erwartet.

Neue Aufgaben für Dienstleister

Neben dieser Konzentration von Leistungsumfängen bei weniger Dienstleistern gibt es aber auch neue Tätigkeitsfelder, die industrieseits in die Outsourcing-Überlegungen einbezogen werden. Allen voran stehen hier Aufgaben in der Logistik. Kirsten Schubert berichtet von einer überproportional steigenden Nachfrage nach internen und externen Logistik-Leistungen. Sowohl der Transport von Waren und Dokumenten als auch der von Personen weise schon über Jahre eine erfreuliche Zunahme auf.

Als zweiter zukunftsträchtiger Bereich kristallisiert sich das Thema Energie heraus. „Energieeffizienz ist in der Industrie schon allein deshalb wichtig, weil sich damit häufig 20 Prozent der Kosten sparen lassen“, rechnet Kürfgen vor. Energiemanagement, beispielsweise durch Contracting, habe dabei zahlreiche Schnittstellen zum Facility Management. So hat nach seinen Angaben die Hochtief Energy Management davon profitiert, dass Energiekostenoptimierung in der Krise viel stärker als zuvor in den Fokus der Industrieunternehmen rückte. Ein anderes Beispiel dafür ist auch der Auftrag, den Cofely Deutschland von Pfizer am Standort Freiburg erhalten hat: Zum Leistungsumfang gehört nicht nur das technische Gebäudemanagement, sondern auch der Betrieb der gesamten Energieanlagen auf dem Werksgelände.

Standortmanagement und produktionsnahe Dienste

In der produzierenden Industrie sehen sich die Anbieter von Facility Services ohnehin häufig mit den klassischen Industrie-Dienstleistern und Instandhaltungsdienstleistern im Wettbewerb, die Gebäudemanagement-Leistungen im Rahmen des Standortservices mitmachen. Die Wisag hat diese Konkurrenzsituation beispielsweise dadurch aufgelöst, dass sie im letzten Jahr die ThyssenKrupp Industrieservice übernommen hat. Instandhaltung, Supply Chain Services, Industrial Facility Services sowie Industriemontage für Produktionsbetriebe in der Automobil- und Automobilzulieferbranche, der Metall erzeugenden Industrie, im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Lebensmittel-, Papier- und Druckindustrie runden seitdem das Dienstleistungsspektrum der Wisag ab. Auch bei Voith ist man sich sicher, dass sich Standort-Dienstleistungspakete durchsetzen werden. Die Leistungen werden je nach Branche und Unternehmen von der technischen Reinigung über die Maschinen-Instandhaltung und -Wartung bis hin zu Betreibermodellen reichen. Auch Vormontage-Leistungen kommen hinzu. „Die Gründe hierfür sind neben der Kostenflexibilisierung auch die Tarifstruktur – und nicht zuletzt die Notwendigkeit, eigene Kapazitäten auf die Primärprozesse zu fokussieren“, erläutert Kahl. Beide Märkte werden also früher oder später zusammenwachsen, darin sind sich die befragten Unternehmen im Grunde einig. Bleibt nur die Frage wann?

Robert Altmannshofer

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