Prototyp im Holzbau

In Tirol hat die Speckproduktion Tradition. ATP architekten ingenieure, Innsbruck, hat nun für einen bekannten Hersteller der Branche eine Produktionsanlage mit integriertem Handelsbetrieb geplant. Vom Standort in Pians aus will die Markus Handl Beteiligung GmbH nach der Fertigstellung im Frühjahr 2021 die gehobene Gastronomie und Hotellerie mit geräucherten Wurstwaren versorgen. Eine Besonderheit des architektonischen Entwurfs stellt die innovative Verwendung des Rohstoffs Holz dar: Als weltweiter Prototyp wurde die derzeit größte punktgestützte Brettsperrholz-Flachdecke (Cross Laminated Timber, CLT) ohne Unterzüge hergestellt.

Zweigeteilt – funktional wie optisch

Die spektakuläre Hanglage am Eingang des Tiroler Paznauntals spielte auch eine essenzielle Rolle bei der Konzeption der neuen Produktion für Handl Gastro Service: Das Areal weist einen Höhenunterschied von ca. 23 m auf. Neben dem Höhenausgleich des Geländes konzipierten die Planer zusätzlich eine 8 m hohe Stützwand, auf der die Ladehofplatte auskragend aufliegt. Der zweigeschossige Neubau teilt sich architektonisch in zwei verschiedene Gebäudeteile: Das Erdgeschoss beheimatet die Produktion mit Lager. Die „cleane“ silberne Aluminiumfassade lässt hierbei bereits von außen die hohen Hygieneanforderungen im Inneren erahnen. Das Obergeschoss umfasst Büros, Besprechungsräume, die Kantine sowie den Verkaufs- und Gastronomiebereich mit Küche. In Anlehnung an eine traditionelle „Speckalm“ erhielt das Obergeschoss eine vertikal ausgerichtete, vorgehängte Holzschalung.

Punktgestützte Brettsperrholz Flachdecke

Als weltweite Besonderheit bezeichnet ATP die Dachkonstruktion im Verkaufs- und Gastronomiebereich, bei der ein Teil als punktgestützte Flachdecke mit Brettsperrholzelementen ausgeführt ist. Dadurch entfallen die im Holzbau üblichen Unter- und Überzüge. Als einheitliche und ebene Deckenuntersicht spannt sich die Holzdecke ohne Träger über den gesamten Raum. Zwei Neuerungen ermöglichten diese Dachkonstruktion.

Spezielle Verklebung

Durch eine spezielle Verklebetechnik der Schweizer Firma TS3, die sonst nur vom Stahlbetonbau bekannt ist, konnte eine Großfläche aus Holz geschaffen werden. Dafür wurden die einzelnen kleingliedrigen Brettsperrholzelemente mit einem Spezialprimer vorbehandelt und unmittelbar danach mit Dicht- und Segmentierungsbändern versehen. Auf der Baustelle folgte die Platzierung der 3,5 m breiten und teils über 5 t schweren Platten auf den einzelnen Holzstützen und die Verklebung der Fugen mit einem Zweikomponenten-Klebstoff aus Polyurethan-Giessharz. Dieses Harz verbindet die Holzelemente biegesteif miteinander.

Innovatives Verbindungssystem

Die für das Deckensystem notwendigen Verbinder im Bereich der Stützen wurde erst kürzlich von einem Team um Dr. techn. Dipl.-Ing. Roland Maderebner am Arbeitsbereich Holzbau der Universität Innsbruck in enger Zusammenarbeit mit der Firma Rothoblaas entwickelt. Der Spider Connector münzt hierbei das aus dem Stahlbeton bekannte System der Durchstanzbewehrung auf den Holzbau um. Dabei wird die konzentrierte Punktlast einerseits über Auflagerpressung und andererseits über eine Aufhängung am Ausleger in den Stützenkopf eingeleitet. Durch den Verbinder kann auch die Last aus darüber liegenden Stützen durch die Decke abgeleitet werden. Die Arme des Systems sorgen speziell bei Brettsperrholz für die Verstärkung der einzelnen Platten und ermöglichen so außergewöhnliche Scherfestigkeitswerte. Dadurch sind größere Abstände zwischen den Stützen bei einem Stützenraster von 7 x 7 m möglich. Mit diesem System kann die im Holzbau bekannte Herausforderung von konzentrierten Lasteneinleitungen, speziell quer zur Faserrichtung, gelöst werden.

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