Architektur-Geflecht

Im Märchen Rumpelstilzchen der Gebrüder Grimm spinnt die Müllerstochter Stroh zu Goldfäden, an der Universität Kassel entstehen aus Weidenruten Holzbänder. Wie lassen sich die positiven Eigenschaften von Massivholz und Textilien miteinander zu kombinieren, ist die Frage, die den Forschungsverbund Tethok (Textile Tektonik für den Holzbau an der Universität Kassel) antreibt. Denn das Material Holz weist eine gute Ökobilanz auf, während sich textile Konstruktionen leicht, flexibel und sehr formbar sind. Darüber hinaus sind die Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien von Textilien hoch entwickelt.

Die Herstellung der Holzfäden

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler mit der regional wachsenden Weidengattung „Salix americana“. Das Holz des Strauchgewächs soll durch den Prozess seine charakteristischen Eigenschaften wie Anisotropie (Richtungsabhängigkeit) und sein Aussehen beibehalten und diese nutzen. Die Bearbeitung der Weidenruten beginnt damit, dass Schienen mit einer Dicke von ca. 0,3 mm und einer Breite von ca. 1 mm aus einjährigem Holz gefertigt werden, die anschließend zu Geweben und/oder Gelegen weiterverarbeitet werden. Dabei werden Schäden im Material entfernt, sodass die Holzfäden im Mittel eine höhere Zugfestigkeit erreichen. Danach wird das Weidenholz stirnseitig aneinander geklebt. Bei diesem Schritt untersuchen die Forscher immer wieder neue Fügegeometrien, verschiedenen Klebstoffe und Mikrodosierungsmöglichkeiten.

Garn aus Holz

Bei Regeneratfasern wird die gewachsene Holzstruktur aufgelöst, sodass das Material seine ursprünglichen Qualitäten einbüßt. Das neue Verfahren von Tethok jedoch erhält die Struktur des Weidenholzes, wodurch das Textil leicht, biegsam und trotzdem fest bleibt. Die Holzfäden können somit gewebt, geflochten, gelegt oder gewickelt werden. Außerdem forscht die Universität Kassel an einer robotischen Verarbeitung des Holzfilaments. Die Verwendung von Weidenruten, beispielsweise in der Korbflechterei, ist ein altbekanntes Handwerk. Doch durch die additive Fertigung entstehen dreidimensionale, maßgeschneiderte Werkstücke in hoher Geschwindigkeit und großer Skalierung. Die Technik hat sich stark weiterentwickelt: Anstatt das Menschen in stundenlanger Handarbeit ein Weidenkörbchen flechten, fertigen Roboter in kurzer Zeit und dabei millimetergenau große Konstruktionen.

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