Mit der Fertigstellung der ersten Gitterschale am Zugang zur Haltestelle „Staatsgalerie“ feiert das Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 einen bedeutenden Meilenstein. Die eindrucksvolle Stahl-Glas-Kuppel schafft erstmals eine markante Verbindung zwischen der neuen unterirdischen Gleishalle und dem städtischen Raum.
Ehrgeiziges Projekt
Bereits 1997 gewannen ingenhoven associates den internationalen Realisierungswettbewerb für den Um- und Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofes, der den Kern des lange umstrittenen Verkehrs- und Städtebauprojekts Stuttgart 21 bildet. Als lichtdurchfluteter, tiefliegender, 8-gleisiger Durchgangsbahnhof soll er den bisherigen 16-gleisigen Kopfbahnhof ersetzen. Der neue Tiefbahnhof, besteht aus einer ca. 447 m langen und 80 m breiten Halle. Werner Sobek zeichnet für die Tragwerksplanung dieser Halle ebenso wie von verschiedenen anderen Bauteilen dieses zukunftsweisenden Projekts verantwortlich.
Die Dachkonstruktion der unterirdischen Bahnhofshalle besteht aus einem Schalentragwerk, das von sog. Kelchstützen getragen wird. Diese Stützen ermöglichen eine hufeisenförmige Abstützung der anschließenden flachen Deckenteile. Die Kelchstützen sind nach oben offen und werden durch filigrane Stahl-Glas-Konstruktionen abgedeckt.
Die nun enthüllte Gitterschale hat eine imposante Höhe von 8,5 m und eine Grundfläche von 32 x 28 m. Sie besteht aus einem komplexen Stahltragwerk mit knapp 110 t Stahl und 403 exakt gefrästen Knotenpunkten. 725 dreieckige Glasscheiben sorgen für Transparenz und schaffen eine helle, freundliche Atmosphäre im lichtdurchfluteten Südeingang des neuen Bahnhofs. Die Besonderheiten liegen in der filigranen Dreieckstragstruktur mit anspruchsvoller Profilgeometrie und komplexen 3D-gefrästen Knoten. Aufgrund der flachen Glasscheiben und der kuppelförmigen Geometrie wurde jedes Bauteil individuell angefertigt.
Statische Präzision
Die Tragwerksplanung der Gitterschale erfordert besondere ingenieurtechnische Expertise. Eigengewicht, Wind, Schnee und außergewöhnliche Druckwellen durch ein- und ausfahrende Züge wirken ebenso auf die Konstruktion wie große Temperaturunterschiede. Bei einer Oberflächentemperatur zwischen -15 °C im Winter und +65 °C im Sommer ergibt sich bei einer Länge der Gitterschale von ca. 32 m eine Längenänderung von 31 mm. „Eine unserer größten Herausforderungen war es, die filigrane Erscheinung mit maximaler statischer Sicherheit zu verbinden“, erklärt Marie Kästner, Teamleiterin Design beim verantwortlichen Glasbauspezialisten Seele, Gersthofen. 27 Kalottenlager ermöglichen Bewegungsfreiheit und leiten hohe Kräfte zuverlässig in das Betonschalendach ein. Durch die sphärische Kontaktfläche ermöglichen die Lager simultane Bewegungen in mehreren Freiheitsgraden. Die Kombination aus hochfestem Stahl, tragfähigem Glas und präzise ausgelegten Knotenpunkten macht die Konstruktion nicht nur stabil, sondern auch ästhetisch überzeugend.
Alle 27 Lichtaugen sichtbar
Neben den Gitterschalen setzen auch die charakteristischen „Lichtaugen“ wesentliche architektonische Akzente. Auch hier sind inzwischen alle 27 Augen sind fertiggestellt. Diese markanten Oberlichter versorgen die unterirdische Bahnhofshalle mit Tageslicht. Mit der nun sichtbar werdenden Kombination aus Gitterschalen und Lichtaugen entfaltet die Gesamtarchitektur von Stuttgart 21 erstmals ihre volle ästhetische und funktionale Wirkung.