Beton ist weltweit der in der Baubranche am häufigsten verwendete und zugleich ein besonders CO₂-intensiver Baustoff, der als graue Energie in vielen Bestandsgebäuden steckt. Bau- und Abbruchabfälle werden jedoch noch zu selten als „Bauteillager“ für neue Gebäude gesehen, obwohl sie gemäß der Abfallrahmenrichtlinie in der EU einem Verwertungsziel von 70 Prozent unterliegen. Grund hierfür: fehlende Berechnungsgrundlagen, Referenzen, Regeln und Qualitätssicherungsprozesse. Ein EU-gefördertes Projekt – ReCreate – beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Rückbau und der Wiederverwertung von Betonfertigteilen. Es zielt darauf ab, das zirkuläre Bauen zu fördern, indem es die notwendigen systemischen Veränderungen im gesamten Ökosystem rund um Bau und Abriss untersucht und neuartige technologische Lösungen und Prozesse für den Rückbau und die Wiederverwendung von Gebäuden entwickelt. Dazu gehören auch Umweltproduktdeklarationen (EPDs) für die Wiederverwendung von Betonfertigteilen, um eine Lebenszyklusanalyse (LCA) und Lebenszykluskostenrechnung (LCC) für die neu entstehenden Gebäude zu ermöglichen.
Machbarkeit und Rentabilität auf dem Prüfstand
Pilotprojekte in Deutschland, Finnland, Schweden und den Niederlanden sollen dazu beitragen, die Wissenslücken zu schließen. Dafür untersuchen und dokumentieren sie verschiedene nationale Wertschöpfungsketten, Geschäftsmodelle, rechtliche Hindernisse (z.B. Bau- vs. Abfallgesetzgebung) sowie diverse Gebäudebestände mit unterschiedlichen repräsentativen Bautechnologien, Gebäudetypen und -größen sowie Eigentümerstrukturen. Die Pilotgruppen arbeiten gemeinsam mit Industriepartnern und Gebäudeeigentümern an den verschiedenen Aspekten des Rückbaus und der Wiederverwendung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um die technische Machbarkeit und die potenzielle Rentabilität der Wiederverwendung aufzuzeigen. Dabei geht es unter anderem um neue Sicherheitsstandards für den Reuse von Betonfertigteilen. Dazu erklärt Jukka Lahdensivu von der ins Projekt involvierten Universität Tampere, Finnland: „Wir prüfen die Materialeigenschaften vor dem Rückbau, um sicherzustellen, dass die Bauteile in neuen Projekten sicher wiederverwendet werden können. Dazu gehören die Entnahme von Kernproben für Druckfestigkeitsprüfungen, die Messung der Betondeckung über der Bewehrung sowie die Durchführung von Großversuchen an Balken und Hohlkammerdecken im Labor. Diese Prüfungen entsprechen den geltenden Normen und gewährleisten so die Vergleichbarkeit der Ergebnisse.“
Im Gegensatz zu neuen Betonkonstruktionen, bei denen man die genaue Materialzusammensetzung kennt, müssen bei bestehenden Gebäuden die Betonfestigkeit, die Bewehrungsart und weitere Besonderheiten vor der Weiterverwendung erst analysiert werden. Dieser Mangel an Vorwissen sei der Hauptunterschied für die Bewertung wiederverwendeter Materialien, erklärt Lahdensivu. „Wir führen mehrere Paralleltests durch, um eine Ergebnisstreuung zu erhalten. Dieses Vorgehen ähnelt der Prüfung neuer Materialien, jedoch werden in einer Fabrikumgebung Bauteile in gleichbleibender Qualität hergestellt. Bei recycelten Materialien stehen uns oft nur wenige Bauteile zum Testen zur Verfügung, wodurch die Stichprobengrößen von den typischen Fabrikbedingungen abweichen“, führt der Experte aus.
ReCreate
Koordinator und Leader von ReCreate ist die Tampere University in Finnland, in Schweden ist die KTH Vetenskap Och Konst University eingebunden, in Deutschland die Brandenburg University of Technology (BTU), in den Niederlanden die Eindhoven University of Technology (TU/e).
